von Thomas Austermann
Das italienische Crotone an der Stiefelspitze der Halbinsel dürfte Insidern der Region Kalabrien bekannt sein. Die Touristenmassen zieht es nicht hierhin. Besser als unsereins weiß das Guglielmo Maddente (Foto, rechts), der 29 Jahre alte Offensivspieler der FCG-Ersten. Der stammt aus Cariati und war noch ein Knirps, als seine Eltern 1999 entschieden, mit den fünf Kindern auszuwandern. Der besseren Zukunftsperspektiven wegen. „Wenn wir Kinder unter uns sind, dann sagen wir, dass unsere Eltern alles richtig gemacht haben“, wertet Maddente und lächelt, denn „dass Mutter und Vater das ein bisschen anders sehen, ist auch klar. Aber weil ihre Kinder in Münster glücklich sind, sind sie es auch!“ Um das Glück, das Lebensglück, finden zu können, sind manchmal radikale Schritte nötig. Und der Mut, sie umzusetzen.
In Italien hat „Gulli“ Maddente noch keinem Verein angehört. Gekickt wurde „mit Freunden und der Familie draußen auf der Straße. Wir lebten in bescheidenen Verhältnissen.“ Der Aufwand, viele Kilometer zu einem Training fahren zu müssen, war indiskutabel hoch und teuer. Gut möglich, dass sich Maddente auf der Straße ein erstes Rüstzeug zulegte, das ihm später noch sehr nützlich werden sollte. In Münster waren die Wege kürzer und die Anmeldung beim FCG schnell erfolgt.
Ab 2002 lebten die Maddentes im Stadtteil. Sportlich auffällig und damit interessant für andere Clubs wurde der technisch so versierte Linksfuß relativ schnell. Auch in Ahlen trainierte er zur Probe, wechselte aber zum SC Preußen Münster. „In den Junioren-Bundesligajahren hatte ich immer Trainer, die auf mich gesetzt haben“, erinnert er sich gerne und gut. 50 Partien in den höchsten B- und A- Juniorenligen bestritt der Offensive mit Tordrang und Zuspielqualität, der oft das gewisse Extra einbrachte. 2011 war er ein Kandidat für die SCP-Erste in der 3. Liga, aber zu seiner Enttäuschung auch nicht mehr. „Trainer Fascher sagte klar und deutlich: Wenn er die Wahl habe zwischen einem jungen und älteren Spieler für eine Position, dann würde er immer den älteren nehmen. Das fand ich ein bisschen stumpf.“ In Lotte bei den Sportfreunden war vor allem Co-Trainer Ovid Hajou anderer Ansicht. Er lockte Maddente zum Autobahnkreuz und in die Regionalliga. Chefcoach Maik Walpurgis aber baute nicht auf den jungen Neuen. „Ich hatte damals einen Berater, der mir alles abnahm. Und ich bekam etliche Angebote – nach Lotte zu gehen, war ein echter Fehler.“ Eine Kommunikation zwischen Coach und Kicker fand nicht statt.
An „menschliche Kälte“ erinnert sich Maddente. „Ich war unglücklich!“ Und suchte das Weite, das er in beim SV Wilhelmshaven (Regionalliga Nord) fand. Trainer Christian Neidhart (heute RW Essen) setzte den schnellen Maddente immer ein, auch im DFB-Pokalspiel gegen den FC Augsburg (0:2) im August 2012. „Sportlich ging es mir gut, ich war fit und voll dabei. Aber finanziell hat es der Club allgemein nicht geregelt bekommen – wir Spieler litten unter Unzulänglichkeiten.“ Ausgerechnet auf der ersten Station außerhalb Münsters („Ich bin an jedem freien Tag nach Hause gefahren.“) traf ein unverantwortliches Gebaren den ambitionierten Maddente mit voller Wucht. „Ich kam mit Schulden zurück nach Münster und musste mich erst einmal sammeln. Damals dachte ich auch ans Aufhören. Ich hab‘ leider die schlechte Seite des Sports viel zu früh kennengelernt.“ Und selbstkritisch-nachdenklich fügt er hinzu: „Ich habe die falschen Entscheidungen getroffen.“
Maddente bekam die Kurve und traf danach viele richtige Entscheidungen. Nach einem FCG-Jahr wurde er Stammspieler in einem Wohlfühlklima beim TuS Hiltrup. Trainer Martin Kastner, schon in Preußenjahren ein Förderer, stärke ihn. „Martin hat mir immer sehr gut getan.“ Fünf Westfalenliga-Jahre absolvierte Maddente, in guten Teams mit echten Kollegen, traf 42 mal in 103 Partien. Er trat eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann an, danach wurde er Versicherungsfachmann und kümmert sich noch immer um den Vertrieb in der LVM-Versicherungsagentur Christian Ahlers in Amelsbüren. Da fühlt sich Maddente wohl, schätzt als redegewandter Kommunikator den Kundenkontakt.
Sportlich ging es wieder höher hinaus mit dem FCE Rheine in der Oberliga ab 2019. Pandemiebedingt erlebte er dort zwei nur reduzierte Spielzeiten. Und einen gesundheitlichen Rückschlag durch eine Nervenentzündung. „Dafür war wohl der Stress verantwortlich. Ich hab‘ das als Alarmsignal gewertet – ich musste mir selbst helfen und kürzer treten.“ Der Gievenbecker ist seit dem Sommer schnell an „seinem“ alten Platz und schwang sich, endlich fit und ausgeglichen, zum FCG- Stammspieler auf. „Ich finde das Projekt hier super“, sagt Maddente, der kürzlich auch beim FCG verlängert hat. Und sein Umfeld findet es super, dass er wieder die Kurve bekommen hat.
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