Von Thomas Austermann
Er ist neben den Trainern der einzige Mann auf der Bank, der während der 90 Oberligaminuten gar nicht darauf erpicht ist, den Rasen zu betreten. Wenn Dr. Lino Witte (Foto, links) beschäftigungslos bleibt, ist für den Tag schon mal alles gut gelaufen. Der neue Teamarzt der Gievenbecker Ersten ist freilich immer auf dem Sprung, den Arztkoffer zu greifen, loszurennen und zu helfen. Während seiner Freizeit. Der über die Maßen engagierte Münsteraner aus dem Jahrgang 1990 verstärkt seit Serienstart mit seiner Präsenz am Platz das komplette Paket der medizinischen Versorgung. Diesbezüglich ist der FCG bestens aufgestellt.
„Auch für uns gilt, dass es nur im Team und mit funktionierenden Absprachen in klaren Abläufen klappen kann“, sagt Sportmediziner Witte, der seit seiner Rückkehr nach Münster im August im Kreuzviertel in der Praxis von Dr. med. Carsten Schriek arbeitet. Seit 2013 schon ist Dr. Sebastian Klingebiel, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schulter- und Sportorthopädie am UKM, für den FCG erster Ansprechpartner im Fall der größeren Fälle, wie auch sein UKM-Kollege Dr. Kristian Schneider. Letztgenannter ist seit dem Studium befreundet mit Lino Witte – da war der Draht ein kurzer und der Kontakt zum Club schnell hergestellt. Die beruflich voll ausgelasteten Mediziner können und müssen sich die Betreuung der Kicker aufteilen. Den Job packen sie schließlich zusätzlich obendrauf. Quasi hinter dem Trio stehen die beiden Physiotherapeuten Joschka Krummenerl und Jonas van den Berg aus der Krummenerl- Praxis an der Fliednerstraße. Hier erfolgen Weiterbehandlung und Reha von zuvor verletzten Fußballern. Bis diese hier wieder Grünes Licht bekommen und ins Training zurückkehren dürfen.
Lino Witte musste keinen Navi nutzen, um den Sportpark zu finden. Früher bei Wacker Mecklenbeck mit dem Fußball bekannt geworden, kickte er während seines Medizinstudiums für die FCG-Zweite in der Kreisliga A. Er büffelte und arbeitete dann auch in Malaga, München und Zürich, zuletzt in Frankfurt/Main. Hier lernte er jede Menge hinzu in der Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie von Dr. Jochen Krauß, den auch Profispieler aufsuchen. Ein stattliches Team kümmert sich hier um bis zu 170 Patienten – pro Tag. Witte zog es dann zurück nach Münster. Noch pendelt er regelmäßig nach Frankfurt zu seiner dort als Kinderärztin tätigen Frau. „Die Betreuung am Platz und während des Spiels war für mich auch Neuland“, sagt Witte, der sich hochmotiviert in die Premiere stürzte. Eine halbe Stunde vor Anpfiff ist er vor Ort, verfolgt in der Kabine die finale Ansprache von Trainer Florian Reckels („Sehr interessant!“) – und wartet als mitfiebernder Zugucker darauf, dass am besten nix passiert. Dem Sport innewohnend aber ist leider eben, dass der Arzt kommen muss.
Wie am 4. September, als sich Außenbahnspieler Asmar Paenda verletzte. Witte eilte hinzu, erkannte schnell den Bänderschaden im Sprunggelenk und versorgte den 20-Jährigen. „Aus medizinischer Sicht sind bei relativ einfachen Verletzungen die ersten 48 Stunden entscheidend – also liegt der Vorteil der Präsenz eines Fachmanns klar auf der Hand“, sagt Witte. Nach einer wie auch immer gearteten Blessur rät Witte zu den nächsten Schritten. „Wir haben jetzt klare Standards festgelegt, was in welcher Reihenfolge zu tun ist nach einer Verletzung. Es hilft sehr, die Abläufe festzulegen und damit zu vereinfachen.“ Meistens folgt einer Blessur der Besuch in der Praxis. Wittes Arbeitgeber Carsten Schriek macht es möglich, dass im Kreuzviertel der Check erfolgen kann. Notwendige Eingriffe nimmt Sebastian Klingebiel vor. Bei der Art der Verletzung von Maximilian Brüwer (Schaden am vorderen Kreuzband) wird erst einmal abgewartet, ob eine OP erfolgen muss. Lange aussetzen muss der FCG-Dauerbrenner sowieso.
Dass Witte den Sport an sich und den Fußball speziell schätzt, befeuert seine Motivation. „Für mich sind diese Spiele auch ein bisschen wie ein Freizeiterlebnis. Ich bin gerne dabei und noch lieber ganz nah dran. Mit der Mannschaft und dem ganzen Stab macht es auch wirklich Spaß.“ Aktiv, zumindest dann und wann, ist Witte noch immer. Als Mitglied im Verein „Deutsche Fußball Ärztemannschaft“, im Jahr 2000 in Bayreuth gegründet und vornehmlich karitativen Zwecken verschrieben. Für die gute Sache finden sich da in ihren Nationalmannschaftstrikots Mediziner aus dem ganzen Land zusammen. „Drei oder vier Benefiz- Spiele kommen da pro Jahr zusammen“, sagt Witte, der seit 2016 dabei ist. Als einer der Jüngsten muss er viel Laufarbeit verrichten, logisch. Fit genug ist er also allemal, auf den FCG-Rasen zu sprinten, wenn es denn sein muss.
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