Von Thomas Austermann
Das kann sich ja keiner ausdenken. Ein paar Spielschlussminuten lang feierte Manuel Beyer Ende November 2022 im Heimspiel gegen Lotte sein Comeback für den 1. FC Gievenbeck. In der Offensive. Und traf zum 2:2-Endstand in der Nachspielzeit. Tatsache. Dass der 32-Jährige auch in den Serien zuvor immer dann nach vorne geschickt wurde, wenn (Sturm-)Not am Mann war, ist bekannt. Dass er bei anderen Vereinen als eine Art Allrounder auch mal grundsätzlich weiter vorne eingesetzt wurde, auch. Die Kernkompetenz des weithin geschätzten Leistungsträgers aber ist, dem jeweiligen Gegner das Toreschießen zu erschweren. Daran arbeitet Beyer seither wieder regelmäßig als zentraler Innenverteidiger in bereits sieben Spielen nacheinander über jeweils volle Zeit. Bekanntlich pausierte seine Karriere nach dem Oberliga-Aufstieg.
Der in Dülmen als Bauherr für die Familie geforderte Mann musste hier den Manager geben. In der Region Castrop-Rauxel als Verkaufsleiter von Lidl, dem international tätigen deutscher Discount-Unternehmen, war er erst recht gefordert nach seinem Einstieg Anfang 2021. Fünf Filialen steuert er, darin 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mega viel Verantwortung. „Mach aber total Spaß“, sagt Beyer, der zu schätzen lernte, „was genau die DNA des Unternehmens ausmacht.“ Lidl will seine Leute weiterentwickeln und fördert sie. Der große Wettbewerber des anderen Giganten mit den vier Buchstaben verschreibt sich der Innovation. „Und dass ich hier sofort Führungserfahrungen machen kann, spricht für sich. Ich habe hier eine große Chance.“
Dass Beyer da viel Zeit und Engagement investiert, versteht sich. Auf dem Grundstück in Dülmen verbrachte er monatelang quasi den Rest des Tages. „Ich hab‘ ja das Glück, dass mein Vater als Handwerker den Plan hat und das Können, den auch umzusetzen. Der packte an und ich sah zu“, sagt Beyer und beschreibt seinen Mitarbeiterjob damit sehr wahrscheinlich unzureichend. Ende Oktober zog die vierköpfige Familie ein – die Tochter ist vier Jahre jung und der Sohnemann eineinhalb Weil seine Frau alles mitträgt, durfte der Kicker wieder zum Kicken. „Nach dem Aufstiegsspiel als dem Saisonabschluss hab‘ ich sportlich rein gar nichts mehr getan – ich war nicht einmal Laufen“, beschreibt Beyer ehrlich. Weil er aber die Konstitution besitzt, schnell wieder in Form kommen zu können, war er ab November wieder eine Alternative. „Was los ist, wusste ich ja. Ich bin immer mit einigen Mitspielern in Kontakt geblieben.“ In der FCG-Defensive waren aus diversen Gründen personelle Wechsel an der Tagesordnung. Kein Trainer mag das, keinem Team tut das gut.
Beyer, FCG-Spieler seit Mitte 2020, gibt dem Team und dem Trainer Flo Reckels viel – und das Team und der Trainer ihm. Ruck-zuck war er wieder drin. „Es ist nicht selbstverständlich, dieses Vertrauen zu bekommen. Ich spüre das und bin sehr dankbar. Ohne die Rückendeckung meiner Familie geht das alles natürlich nicht.“ Ihm ist sehr danach, das alles zurückzugeben. Und Leistung zu zeigen, auch wenn er nur zweimal pro Woche zum Training kommen kann. Und sich oft genug sputen muss. „Ich bin der Typ, der diesen Ausgleich braucht. Ich muss mal raus aus den anderen Verpflichtungen und kann beim Fußball bestens abschalten. Für Kopf und Körper ist das sehr wichtig.“ Die Laune im Sportpark stieg direkt nach dem Clarholz- Spiel und dem ersten Dreier nach neun vergeblichen Anläufen. „Das tat allen unfassbar gut. Hier investiert jeder so viel und freut sich dann, wenn es sich lohnt.“ Der umsichtige Beyer gibt allen Sicherheit, seine ruhige Ausstrahlung und die Fähigkeit zur klugen Problemlösung stärkt die Truppe fraglos. „Wir bieten Leidenschaft und Geschlossenheit, wir kommen über die Grundtugenden. Da kann es egal sein, dass andere Mannschaften individuell vielleicht besser besetzt sind.“ Der Routinier geht gerne voran mit einer „gewissen Lockerheit“, die seinem Erfahrungsschatz entstammt. Und seinem Charakter. Er will anpacken, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen.
Und dann? „Es gibt wirklich noch keine Gedanken dazu!“ Anfragen von Vereinen gab es, weil die hörten, dass Beyer kürzertreten muss, als in der Oberliga als normal gilt. „Ich habe alles abgeblockt. Momentan ist nicht wichtig, was dann wird ab Sommer.“ Klar sei ihm aber, „dass für mich nur der FCG infrage käme. Hier ist einfach alles top.“
Foto: Marco Golfing
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