Von Thomas Austermann
Es ist es keine vier Jahre her, dass die Pandemie unser Leben im Griff hatte und schwerwiegender veränderte, als uns lieb ist. Florian Reckels (Foto) war, kaum dass er im Sommer 2020 den Job in Gievenbeck übernommen und seine zweite Trainertätigkeit – abgesehen von der Phase als Assistent in Roxel – gestartet hatte, schon wieder halbwegs arbeitslos, sportlich betrachtet. Nach sieben Westfalenligaspielen war Schluss, die Serie wurde abgebrochen.
„Das hat man tatsächlich inzwischen ausgeblendet“, sagt der heute 41-Jährige. Die Phase war allgemein ein großer Fluch. Für unseren Bereich zugleich ein klein wenig Segen.“ Letzteres, weil er reichlich Zusatzzeit bekam, seinen Kader, dessen Typen und die Verhältnisse im FCG ohne Wettbewerbsdruck kennenzulernen. „Im Nachhinein betrachtet hat es mir und uns etwas gebracht. Wir haben uns im Rahmen des Erlaubten immer wieder getroffen und sehr viel individuell gearbeitet. Das war speziell.“ Wie Trockenübungen für eine Gruppe, in die zum Beispiel Anton Mand und Louis Martin als Frischlinge aus den eigenen Reihen gerückt waren.
2021/22 wurde Fußball gespielt. Und wie. „Die Prämisse namens Aufstieg gab es gar nicht“, erinnert sich Reckels, „Die Liga hatte einen großen Favoriten.“ Preußen Espelkamp. Finanziell bestens ausgestattet und ambitioniert. „Irgendwann waren wir aber vorne und die hinter uns her. Wir hatten schon Druck und haben hier und da auch Nerven gezeigt.“ Espelkamp wurde Rück- runden-Bester und insgesamt doch nur Dritter. Hinter Delbrück lag der FCG auf Rang zwei.
Es folgte das überragende Aufstiegsspiel gegen den TuS Hordel. 1260 Zuschauer feierten den 3:1-Triumph. „Ein Ereignis für die ganze FCG-Familie“, wertet Reckels. „Die Elf hat es auf den Punkt genau abgerufen. Das 3:1 spiegelte exakt das, was uns ausgemacht hat. 80 Prozent des Kaders bestand aus Spielern aus den eigenen Reihen. Alle so genannten Neuen gaben der Einheit das, was noch fehlte zum Gesamtbild."
Nun also Oberliga und in der trübte sich das Bild zwischendurch. „So viele Niederlagen zu kassieren, das kannte weder Gievenbeck noch ich persönlich“, bilanziert Reckels. „Es war kritisch, auch ich habe mich hinterfragt.“ Personell fehlte Qualität, nicht allein aus Verletzungsgründen. „Später wussten wir, dass es die größte Leistung war, 16 Hinrundenpunkte geholt zu haben. Das war die Grundlage zur Rettung.“ Und das auch: „Hier sind alle ruhig geblieben. Keiner hat verrückte Sachen gemacht, niemand guckte mich schräg an. Es war sehr wichtig, dass Carsten Becker, Rolo Böckmann und Stefan Grädler mich immer total unterstützt haben.“
Intern wurde auch zur Einstellung gesprochen. Tacheles eben. „Wir haben uns die Meinung gesagt im positiven Sinn. Und ich habe Erwartungen formuliert. Das Team war dann wieder da, als es gefordert wurde. Diese Eigenschaft hat es zu einem typischen Merkmal entwickelt.“ Die schwierigste Phase belastete den Pädagogen Reckels auch außerhalb des Sports. „Fußball ist mehr als Training und Spiel. Er wirkt in das normale Leben hinein.“ Der Liga-Erhalt gelang. Erstmals in der Oberligahistorie. Und im zweiten Jahr sollte es richtig passend werden. „Die Säulen in der Abwehr waren fit und standen immer parat“, beschreibt Reckels ein grund- legendes Plus. „Andere haben sich enorm entwickelt.“ Im Training, auf dessen planvolle Ausgestaltung Reckels und Co Torsten Maas allergrößten Wert legen, wurden Grundlagen geschaffen auch zu einer anderen Art, Fußball zu spielen.
Das Doppeln in der Defensive wurde einstudiert schon im wertvollen Trainingslager, das Verengen der Räume, die Zweikampfführung mit fairen Mitteln, der klare und bisweilen auch einfache Aufbau. Er wolle, sagte Reckels 2020 zu seinem Einstieg im FCG, Spieler bisweilen gezielt „überfordern“. Das heißt faktisch, „dass ich sie fördern will. Anspruchsvolles Training macht jeden besser. Die Arbeit unter der Woche ist die Basis, deshalb muss sie intensiv geplant sein. Dass es mal Widerworte gibt, ist normal.“
Mit Demut ging es in die Spielzeit, die schneller als geahnt einen größeren Erfolg brachte. Und absolut ansehnliche Partien. Mit dem Auftritt beim ASC Dortmund kamen in der Reckels-Ära 107 FCG-Ligaspiele zusammen und darin 49 Siege, 28 Punkteteilungen und 30 Niederlagen. Plus zwei Kreispokalsiege. Der Coach macht jetzt Pause, mindestens ein Jahr. Und weiß schon, „dass die Zeit ohne Fußball kribbelig wird. Die Arbeit mit den Jungs und die Kabinen-Atmosphäre werde ich vermissen. Ich habe großes Vertrauen in die Verantwortlichen, dass es in Gievenbeck erfolgreich weitergeht. Da sind ja Menschen mit Augenmaß tätig.“
Foto: Paletta